Freitag, 21. Februar 2014

Die unverrückbare Zwölf. Vom Bloggen über Tiefsinniges


Und dann sitzt du da im HAU1 mit deinem Schreibblock und siehst zu, wie dort jemand mit einer überdimensionalen Schere aus Pappe rumhantiert und dir damit irgendwas sagen will, natürlich ohne ein Wort zu verlieren, und du notierst dir: Richtig große Schere. Und würde dich irgendjemand fragen, was das zu bedeuten habe, dann würdest du wahrscheinlich stammeln: Na so Nabelschnur. Abnabelung irgendwie … so Mutterkomplex, siehe Freud … 

Und im Anschluss dann das Sitzen im Redaktionsbüro. Im Kopf das soeben Gesehene und vor den Augen das unerträgliche Weiß eines leeren Word-Dokuments. Links oben in der Ecke dieser kleine schwarze Strich, der den Schreibansatz anzeigt. Und blinkt. Im Halbsekundentakt. Und du wünschst dir, der Typ mit der Schere hätte irgendwann mal den Mund aufgemacht und so etwas gesagt wie: Liebes Publikum, diese Schere steht für die zunehmende Abkapselung des Individuums in einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft. Hat er aber nicht. Nicht ein Wort. Und der schwarze Strich kommt und geht, kommt und geht. Und in der unverrückbaren Zwölf jeder Uhr lauert die Textdeadline und frisst Zeit. 

//mp


Ein bisschen mehr Empathie, bitte!


Normalerweise coacht Horst Gronke Teams in Organisationen und Wirtschaftsunternehmen. Für das Stück COSMOS-1 von Citsaug hat sich der Kommunikations- und Argumentationstrainer mit drei Berliner Performern zum Sokratischen Gespräch zusammengesetzt. Zeitgleich hat sein spanischer Kollege Vander Lemes mit drei Performern aus Barcelona gearbeitet. Beide Gruppen aus Nord und Süd kommen nun zusammen, um auf der Bühne zu verhandeln, wann der Punkt gekommen ist, zu sagen: Jetzt reicht’s!

100WORT: Braucht Europa mehr Empathie?

Horst Gronke: Wir müssen dringend von dieser Form der Debatte wegkommen, bei der immer nur Pro- und Kontraargumente diskutiert werden und kein Raum für direkte Begegnungen gelassen wird. Im Gespräch gemeinsam etwas zu untersuchen, Nähe und Distanz auszuloten, trägt mehr zur Verständigung bei, als vorgefertigte Meinungen gegeneinander abzustellen.

Und das Sokratische Gespräch wäre eine geeignete Form dafür?

Das Sokratische Gespräch ist in gewissem Sinne nachhaltiger. Es geht um eine philosophieorientierte Vertiefung, die eine Bewusstseinsänderung zur Folge hat und aus der neue Handlungsmuster gewonnen werden können.

Gibt die Gesprächsführung auch die Dramaturgie des Stückes vor?

Genau. Es funktioniert nach dem sogenannten Sanduhrmodell. Oben, wo das Glas ganz gerade verläuft, formuliert die Gruppe ihre Fragestellung. Bei der Engstelle konzentrieren sich alle auf konkrete Erfahrungsbeispiele aus dem Teilnehmerkreis und arbeiten in der Zuspitzung das Wesentliche des Beispiels heraus. In der unteren Hälfte der Sanduhr wird es wieder allgemeiner, philosophischer. Dann geht es darum, welche allgemeinen Maßstäbe oder Werte das konkrete Handeln leiten.

War es sehr anders für Sie, mit Theatermachern zu arbeiten?

Insbesondere für die Performer war es neu, in dieser Struktur zu proben. Idee war es, im Probenprozess nicht wie üblich aus einer Vielzahl von spontanen Ideen ein Stück zu kreieren, sondern an eine grundlegende philosophische Reflexion anzuknüpfen. Das Sokratische Gespräch ist eine anerkannte Methode, über die es mittlerweile auch viel Literatur gibt. Fürs Theater ist es meines Wissens nach zum ersten Mal Grundlage gewesen.

//fs

Citsaug
COSMOS-1
Freitag, 22 Uhr
Ballhaus Ost Saal

so jolie

(Spiel mich während du liest)
 


Lieder können Mauern einreißen; das weiß die Welt spätestens, seitdem the Hoff die Wiedervereinigung Deutschlands herbeisang. Doch diese verbindende Qualität von Liedern fällt nicht nur Looking for Freedom anheim. Im Falle von Kristofer Gudmundsson und Markus Schäfer war es das Lied Ma Cherie  von DJ Antoine, das sie dazu vereinte, ein gemeinsames Stück zu gestalten. Aus den Theaterkollektiven vorschlag:hammer (Gudmundsson) und Markus&Markus (Schäfer) heraus erlebt das 100° dieses Jahr eine Zusammenarbeit, die nichts Absurdes verspricht. Eine Fusion aus Wertschätzung, sich gegenseitig und einem Lied gegenüber. Wie kann man sich das vorstellen? "Wir gehen in reale und virtuelle Spielwarenläden und kaufen uns Dinge. Und dann spielen wir damit." Gudmundsson und Schäfer geben sich Mühe, dass es schön wird, und laden uns alle herzlich ein, ihr Stück anzuschauen. Wenn das mal nicht verbindend klingt. 

//mn

Gudmundsson und Schäfer
St. Tropez
Freitag, 23 Uhr
Sophiensaele Festsaal

Kaschierte Rhythmik


Was passiert, wenn ich mich von der Gesellschaft distanziere und nicht mehr im Mittelpunkt stehe?
Diese Frage haben die vier Akteure von Jessen/Jaroszek in Rhythmik gebracht und versuchen sie in ihrem Formexperiment zu beantworten. Ausgehend von der Metapher der Verschleierung haben sie eine Durationalperformance auf 35 Minuten konzipiert, in der zwei Sprecher, ein Schlagzeuger und eine Tänzerin mit ihren Rhythmen ihre jeweiligen Disziplinen aufbrechen und dadurch auf einen gemeinsamen Ausdruck zielen. Beschrieben wird der Vorgang der Isolation [der eigene Rhythmus] als Basis der Partizipation [mit den anderen Rhythmen zusammenkommen].

Teil dieses Formexperiments ist es aber auch, In Purdah als Beta-Version zu handhaben, die unter Einbezug der Öffentlichkeit geschliffen wird. So verstehen die Performer das 100° als Ort des Austausches, als Plattform, um weiter an der Produktion zu arbeiten – und um Ideen zu präsentieren, ohne definitiv werden zu müssen. Wo wir konsequenterweise wieder beim Tenor der Isolation und Partizipation wären.

//tot

Jessen/Jaroszek
In Purdah
Freitag, 20 Uhr
HAU3 Probebühne

What u lookin' at?


Choreographer Costas Kekis and performers Lana Hosni and Evandro Pedroni met at Salzburg Experimental Academy of Dance while studying there. They are cool people.

1. Your project in one sentence?
Costas:
What u lookin’ at will blow your eyes away!
Evandro: If you wanna know what people are lookin at, you better come on b#+0h!
2. You at the party?
L: I will be the one with those two handsome bearded guys. One will be dancing like Beyonce and the other one like Aerobicon. If the party gets wild we might be the ones trying to speak German.

3. Your way to defeat your opponent in a duel?
E: I could start with Voodoo but let's keep physical! Capoeira, Kung-Fu, Karate? Defeating opponents is one of my favorite skills!

4. What are you looking forward to in Berlin?
C: I am looking forward to possibly get back with my (ex) partner, whom at the moment I miss and love and think he’s selfish and irrespectable.
L: Klein classes. Also, finding a soul mate. And seeing a unicorn.

5. What are you looking forward to at 100° Berlin?
C: I am curious about this marathon of shows and being materialistic, it would be great to promote our work.



6. Naked or dressed?
C: Why choose?
L: Aaaah tricky tricky! I would say naked but what if it's snowing..
E: Dressed! Well dressed!
7. Schnapps before the show or sparkling wine after?
C: Schnapps after.
L: Sparkling wine.
E: Schnapps!!
//ar

Costas Kekis
What u lookin' at
Freitag, 21 Uhr
HAU3 Bühne

Rorschach-Test // mit polasek&grau


Geehrtes Publikum, der Alp des Wahnsinns setzt sich zu euren Füßen. Zu verdanken ist dies polasek&grau, die mit ihrer Lenz-Inszenierung Georg Büchners Erzählung neues Leben einhauchen.
Yohanna Schwertfeger schlüpft in die Rolle des Lenz'. Ein Heimatloser auf der Suche nach einem Ort der Gemeinschaft. Einer, der sich durch ein Wintergebirge schleppt, während der Wahnsinn auf Rossen hinter ihm herjagt. War sein Ziel bei Büchner ein beschauliches Bergdorf, so ist es hier das unüberschaubare Berlin.
Passend zum Thema haben wir polasek&grau auf ein psychodiagnostisches Testverfahren nach alter Rorschach-Manier eingeladen. Ihre Deutungsversuche bewegen sich wahnsinnig nah am Stoff ihres Stückes.



                         Lenz springt. 






                     Lenz hält seine Predigt. 





            Lenz bei Oberlin. 




Lenz mit seiner Mutter. 


Lenz als Katze.




//mp

polasek&grau
Lenz von Georg Büchner

Freitag, 21 Uhr
Vor dem HAU2

Sonntag, 18 und 20 Uhr
Sophiensaele Hof

Don't push it!

Pascal Houdus war einmal ein ganz normaler Schauspieler. Das war, bevor er auf Anton Krause traf. Bevor der studierte Theaterregisseur und nun Regieassistent am Thalia Theater, der im Rahmen von Schöner Scheitern bereits einige Schauspieler umkrempelte, Pascal Houdus zur Kampfmaschine machte.
Pascal wuchs in Gütersloh auf, begann dann während des Zivildienstes in Berlin mit der Schauspielerei und bald drillte man ihn an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Er trug in Der Vorleser Ralph Fiennes die Tasche, er fuhr im Thalia-Theater Hamburg als Maik Klingenberg zusammen mit Tschick durchs Kornfeld, und – dies wird wohl seinem wahren Charakter am ehesten gerecht – er lebte dort, Wo die wilden Kerle wohnen.
Aber nun kehrt Pascal nach Berlin zurück, in das off-scene-Theatermilieu wie ein fremder Veteran, eine Actionfigur umzingelt von Intellektuellen. Er möchte nur ein wenig schauspielern, doch eins ist sicher: Sollte er bloß ein einziges Vorurteil wittern, das sich gegen das Action-Genre richtet, dann ist das erste Blut vergossen und es wird mehr fließen, viel mehr. Denn:
Pascal Houdus ist Rambo!

Da wir kein Bild von Pascal haben, müsst ihr euch dieses Video angucken: Pascal sieht genau aus wie der Protagonist, nur seine Haare sind etwas kürzer:



  
//sim

Pascal Houdus und Anton Krause

Schöner Scheitern #11 - Pascal Houdus ist Rambo! 
Freitag 22.00 Uhr, Sophiensaele Kantine