Donnerstag, 13. Februar 2014

Konfetti in Dauerschleife


Langsam werden die Nächte lauer. Abends ein Bier, fragt mich ein Freund, bei dir um die Ecke? Ich denke: Ja, und sage Nein. Du weißt doch, nächste Woche ist das 100°, ich muss vorschlafen, und er sagt: Dann lass uns morgen eine Pizza essen bei deinem Lieblingsitaliener. Ich denke: Ja, Lieblingsitaliener immer, und sage Nein, du weißt doch, nächste Woche ist das 100° und da gibt es Pizza en masse. Ein letzter Versuch, Dann komme ich nächste Woche zum 100°, sagt mein Freund und ich sage: Ja, dann sehen wir uns dort und denke: Nein, wahrscheinlich nicht. Denn während der eine ins HAU 3 geht, zu einer Tanzinstallation mit ultravioletten Leuchtdioden und skandinavischen Trommel-Rhythmen, nimmt der andere eines der Shuttles vor dem HAU und begibt sich auf eine Fahrt ins Ungewisse - auch wenn das Ziel das Ballhaus Ost oder die Sophiensaele sind. Denn Berliner Straßen sind unberechenbar, sie können schmal, verstopft oder einfach gesperrt sein, dafür ist im Shuttle Bombenstimmung, laut zugerufene Tipps für den Abend, Knicklichter, ein Hit auf der Rückbank, oder man sitzt zufällig neben Menschen, die man noch vom letzten Mal kennt. Der eine oder andere vergisst darüber das nächste Stück und bleibt gleich sitzen, um in Dauerschleife hin- und herzufahren.

Aber auch derjenige, der es aus dem Shuttle schafft, gelangt nicht immer zur angestrebten Vorstellung – vielleicht hat er ein paar Bekannte im Auto getroffen, vielleicht sogar eine ganze Gruppe, von denen die einen in dieses Stück und die anderen in jenes wollen. Und selbst wenn er sich entschlossen hat, kann es immer noch passieren, dass er auf dem Vorplatz bleibt: Denn beim 100° wird jede Fläche zur Bühne und so stehen Klang- oder Lichtinstallationen oder Schauwagen vor den Spielstätten, umgeben von einer Traube an Zuschauern. Aus dem Programm wird man meist nicht viel schlauer, wenn man keinen der über 100 Namen kennt, aber man hat auch nichts zu verlieren – außer den Überblick, und das gehört zum Plan. Und wenn dann die Mitternachtssprecher getagt haben, die Beats im WAU die zügellose Nacht ankündigen, dann treffen alle wieder zusammen: die verlorenen Freunde, Theatermenschen, Künstler, Zuschauer, essen die letzten Pizzen, die der Pizzabäcker noch hervorholt, obwohl der Ofen offiziell schon längst aus ist. Biere werden geöffnet, Sekt und Wein über die Theke gereicht. Und allmählich werden wir anfangen zu tanzen, bis der DJ richtig aufdreht und unsere Beine zappeln, es ist Konfetti in der Luft, Donnerstagnacht, die 100° sind überschritten, ab jetzt und für die nächsten 72 Stunden. 
// LS



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Gibt es beim 100° überhaupt noch so richtige Kulissen? Egal, wir schauen trotzdem dahinter.

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Demnächst hier: Fragen an alle, die davor, dafür oder dahinter stehen.

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Gelobt, gefeiert, gefedert und geteert wird hier ab 20. Februar 2014.